Gemeinsamer Europäischer Gesundheitsdatenraum 
European Health Data Space (EHDS)


Hintergrund 

Das Gesundheitswesen ist nicht nur zentraler Pfeiler der gesellschaftlichen Daseinsvorsorge, sondern mittlerweile einer der größten Datenproduzenten. Schätzungen gehen davon aus, dass aktuell ca. 30% des weltweit anfallenden Datenvolumens aus dem Bereich der Gesundheitsversorgung und Lebenswissenschaften stammt. Aufgrund des Wachstums des Sektors und der zunehmenden Digitalisierung der Gesundheitsversorgung wächst die Datenmenge darüber hinaus schneller als in anderen Sektoren. Gleichzeitig kommt es immer noch vor, dass wir als Patientinnen und Patienten ausgedruckte Befunde von A nach B tragen, oder dass wir überhaupt keinen Zugriff auf bestimmte Gesundheitsdaten haben. Auch Ärztinnen und Ärzte, sowie andere Gesundheitsberufe haben derzeit limitierten Zugriff auf versorgungsrelevante Daten. Darüber hinaus bemängeln Forscherinnen und Forscher die eingeschränkten Möglichkeiten, mit Gesundheitsdaten zu forschen. Um die Nutzbarkeit und Nutzung von Gesundheitsdaten in Gesundheitsversorgung, Forschung und Gesundheitspolitik zu verbessern, soll nun ein Europäischer Gesundheitsdatenraum (European Health Data Space, EHDS) Wirklichkeit werden. Eine entsprechende EU-Verordnung wurde im April 2024  beschlossen. 

Die Verordnung 

Die Verordnung zur Schaffung eines europäischen Raums für Gesundheitsdaten soll 

  • Einzelne dabei unterstützen, die Kontrolle über ihre eigenen Gesundheitsdaten zu bewahren,
  • die Nutzung von Gesundheitsdaten in der medizinischen Versorgung verbessern,
  • die Nutzung von anonymisierten oder, unter bestimmten Voraussetzungen, pseudonymisierten Gesundheitsdaten für Forschung, Innovation und Politikgestaltung ermöglichen.

Einzelne sollen in Zukunft die Möglichkeit haben, ihre Gesundheitsdaten in digital verfügbarer, strukturierter Form abzurufen. Dazu gehört unter anderem ein Patientenkurzakt (patient summary), Verschreibungen und Abgaben von Medikamenten sowie auch Bilder und Bildbefunde. Betreuenden Ärztinnen und Ärzten und weiteren relevanten Gesundheitsberufen sollen diese Informationen für die bessere Versorgung ihrer Patientinnen und Patienten ebenso digital zur Verfügung stehen. Neben dieser Verbesserung der Zugänglichkeit und Nutzung von Gesundheitsdaten in der medizinischen Versorgung – der Primärnutzung – soll auch die sogenannte Sekundärnutzung gestärkt beziehungsweise erst ermöglicht werden. Für eine Reihe an Datenkategorien werden Nutzungszwecke definiert, die eine Weiterverwendung der Gesundheitsdaten unter strengen Rahmenbedingungen ermöglicht. So kann etwa einer Forschungsgruppe an einer Universität die Gelegenheit geboten werden, für die Untersuchung von Einflussfaktoren auf komplexe Krankheiten Daten zur medizinischen Versorgung, medikamentösen Interventionen und Lebensstilfaktoren zu kombinieren. Dabei wird durch eine Reihe an Maßnahmen sichergestellt, dass aus der Forschung heraus kein Bezug zu Einzelpersonen hergestellt werden kann. So sind Gesundheitsdaten für Forschung, Innovation und Gesundheitspolitik nur im sachlich notwendigen Umfang und auf Basis eines von einer neutralen Zugangsstelle bewerteten Datenzugangsantrags verfügbar. Die Gesundheitsdaten werden grundsätzlich anonymisiert und nur in begründeten Ausnahmefällen pseudonymisiert zur Verfügung gestellt. Die Bereitstellung erfolgt über sogenannte sichere Verarbeitungsumgebungen, aus denen kein Download der Daten möglich ist und die die Nutzung im Sinne der Zugangserlaubnis kontrollieren. 

Nutzen für die Bürgerinnen und Bürger 

Für die Bürgerinnen und Bürger bringt ein Europäischer Gesundheitsdatenraum besseren und umfassenderen Zugang zu Gesundheitsdaten, mehr Forschung und Innovation im Gesundheitsbereich und präzisere, evidenzbasierte Gesundheitspolitik. Bürgerinnen und Bürger haben das Recht sowohl der Primär- als auch der Sekundärnutzung ihrer Gesundheitsdaten zu widersprechen (opt out) – eine Möglichkeit, die in den ursprünglichen Verordnungsentwürfen nicht vorgesehen war, und für die sich Österreich in den Verhandlungen stark eingesetzt hat. 

Nutzen für Patientinnen und Patienten

Die optimierte Verfügbarkeit und Nutzung von Gesundheitsdaten verbessert die Gesundheitsversorgung. Erweiterte Möglichkeiten mit Gesundheitsdaten zu forschen, bringen rascheren Zugang zu effektiven Formen der Versorgung, einer inklusiven Vorsorge, sowie sicheren Medikamenten und Medizinprodukten. 

Nutzen für Ärztinnen und Ärzte 

Ärztinnen und Ärzten sowie Gesundheitsberufen generell ermöglicht eine bessere Verfügbarkeit gut aufbereiteter Daten über ihre Patientinnen und Patienten eine höhere Versorgungsqualität bei gleichbleibendem oder geringerem Aufwand für Administration und Dokumentation. 

Nutzen für Forschung und Systemsteuerung 

Die Sekundärnutzung unterstützt Forschung und Systemsteuerung mit Gesundheitsdaten. Sie stärkt die Innovativität des Gesundheitssektors und ermöglicht bessere Gesundheitspolitik und Planung. 

Herausforderungen 

Gesundheitsdaten gehören zu den sensibelsten aller Datenbestände. Entsprechend sind gesellschaftlicher Wert ihrer Nutzung und möglicher Schaden sorgfältig abzuwägen. Die EU-Verordnung gibt einige Antworten auf diese wesentlichen Fragen: es gibt die Möglichkeit für Einzelne, sowohl der Primär- wie auch der Sekundärnutzung zu widersprechen; bestimmte Sekundärnutzungszwecke werden grundsätzlich abgelehnt; und der Rahmen der Datenschutzgrundverordnung gilt weiterhin. Der Erfolg des Gesundheitsdatenraumes wird maßgeblich von der Umsetzung in den einzelnen Mitgliedstaaten abhängen, wo es starke und vertrauenswürdige Institutionen braucht, etwa eine digitale Gesundheitsbehörde und eine Gesundheitsdaten-Zugangsstelle. Letztere ist für die Bearbeitung von Sekundärnutzungsanträge zuständig und muss dabei auch entscheiden, ob für eine Verarbeitung pseudonymisierte Daten nötig sind oder anonymisierte Daten ausreichen. Sowohl auf Ebene einzelner Anträge als auch auf gesamtgesellschaftlicher Ebene ist eine ethische Reflexion der Entwicklungen im Gesundheitsdatenraum nötig.